Autor: Redaktion

telegraph #133/134 erschienen

Wer sich umsieht, dem wird mulmig. Die gute Stimmung ist verflogen. Das „Ende der Geschichte“ liegt lange zurück. Selbst die standhaftesten Apologeten von Fukuyamas These des Verschwindens der weltpolitischen Widersprüche nach dem Zusammenbruch des „Realsozialismus“ anerkennen inzwischen die zentrifugalen Kräfte des obsiegenden Weltkapitalismus. Die Geschichte fängt gerade erst richtig an…

Verzweifelter Spiderman

„Jupiter’s Moon“, Ungarn 2018, Regie: Kornél Mundruczó

Von Angelika Nguyen

Am Anfang: das Innere eines Fluchtwagens. Menschen werden mit einer bewegten, dokumentarisch anmutenden Kamera abgefilmt, Männer, Frauen, bei Kindern schwenkt der Kamerablick nach unten.

Film ohne Wärme

„Werk ohne Autor“
Dt. 2018, Buch und Regie: Florian Henckel von Donnersmarck

Tom Schilling sitzt in einem Baum. In einem Riesenbaum auf einer Riesenwiese. Da kommt Wind auf, zieht durch die tausendfach wogenden Halme. Ziemlich großartig. Es ist sein erster Auftritt im Film…

Von Angelika Nguyen

Karl-Marx-Stadt

Liebe westdeutsche Freund/innen,

Der Osten ist auch 30 Jahre nach dem Ende der DDR anders geblieben, als ihr Euch das vorstellt. Es ist Zeit, jenseits der Medienkonjunktur der Frage: „Was ist da im Osten los?“ zu verstehen, was hier passiert. Chemnitz war für die vereinigte Rechte der Vorschein eines rechten Umsturzes, der aus dem Osten kommen soll.  Daraus gilt es zu lernen.

Von David Begrich

Stasischuld und Sühne

„Gundermann“, Spielfilm, Dt.2018, Regie: Andreas Dresen

Von Angelika Nguyen

Die erste Szene spielt 1992. Gundermann sitzt im Wohnzimmer und singt das anrührende Lied von Vater und Mutter und Zuckerbrot, dazu Gitarre. Es ist ein Vorsingen, Gundermann sucht eine neue Band, fünf Leute hören ihm zu, wie er über seine Kindheit singt, seine Ost-Kindheit.

Großes Drama auf kleinem Raum

„Draußen in meinem Kopf“, Regie: Eibe Maleen Krebs, Dt. 2018



Von Von Angelika Nguyen



Schon auf dem Plakat des Films ist das visuelle Zentrum ein einziges Auge von Samuel Koch, der den Sven spielt. Damit hält er sein Gegenüber fest, den ganzen Film lang. Blaue Iris, leuchtend, ernst, fragend und insistierend zugleich: Was willst du von mir? Lass mich in Ruhe. Ich brauche keine Hilfe. Und zugleich: Ich brauche dich.

Im historischen Nichts

„Transit“ , Dt. 2018, Regie: Christian Petzold



Von Angelika Nguyen


Der Film kokettiert mit einer Idee: seine Fluchtgeschichte spielt zwar 1941, aber in den Kulissen von heute. Moderne Autos, Graffitis, Polizeiuniformen, das heutige Paris, das heutige Marseille. Das Resultat ist, dass die Geschichte – die Romanvorlage von Anna Seghers spielt 1941 – nirgends mehr verortet ist. In welchem dramatischen Raum also bewegen sich die Flüchtenden, die, wie die Hauptfigur einmal sagt, vor „den Faschisten“ fliehen; von wo kommen sie, was ist ihr Ziel? Eine Schiffspassage nach Amerika? Welches Amerika? Das von heute oder das von damals? Und sollen die durchweg weißen, deutschsprachigen Figuren – vorwiegend dargestellt von unserem Standard-Fernseh-Ensemble – etwa die Flüchtenden aus Syrien, Afghanistan, Marokko, Somalia symbolisieren? Oder fliehen sie vor Angela Merkel?