„Autonome“ Antifa’s greifen nach den Sternen
Von Jolli Jumper
Ein Text aus der jüngeren antifaschistischen Geschichte und zur Organisierungsdebatte der 1990er Jahre in Deutschland.
(Aus telegraph #7/8 1993)
Es gibt Zungen, die behaupten, in der Politik der „radikalen Linken“ gebe es immer wiederkehrende Wellen. Speziell in Westdeutschland sei dies zu verfolgen. War man in den 60er Jahren der Auffassung, mit einer breiten undogmatischen Bewegung begegne man am besten der politischen Verkrustung in Nachkriegsdeutschland, setzte man in den 70em eher auf straffe Organisation der (k)ommunistischen Gruppen (K-Gruppen, nämlich trotzkistische, maoistische und andere Sekten). In den 80em waren dann wieder die undogmatischen Elemente angesagt, die Autonomen hatten Hochkonjuktur. Heute, in den frühen 90ern, nach dem völligen Bankrott der autonomen Idee, liebäugelt man erneut mit der Organisation als ein stabil zusammengefügtes Ganzes im Kampf gegen „das Schweinesystem“.
Nicht von ungefähr kommt, dass sich ausgerechnet in der Antifabewegung diese Bestrebungen entwickeln, ist sie doch die einzige Kraft, in der noch alles halbwegs stimmt. Die Fronten sind klar abgesteckt, es bedarf keiner großartigen Erklärung des eigenen politischen Ansatzes. Das Zielheißt schlicht: Zerschlagung der faschistischen Strukturen. Politisches Unvermögen kann bequem durch Aktionismus übertüncht werden. Das Wesentliche ist jedoch der verhältnismäßig große Zulauf besonders von jungen Leuten. So kann man diesen vorzüglich dazu benutzen, um seine Ideologie einzuschleusen. Besonders Gruppen wie die trotzkistische SAG oder die maoistische RIM versuchen dies immer wieder.
Aber nicht nur aus den 70-er übriggebliebene unverbesserliche K-Gruppen erkannten die Gunst der Stunde. Auch westdeutsche Antifagruppen glauben, nun sei die Zeit gekommen,
„auf der Basis eines starken Zusammenschlusses unser Selbstverständnis und unsere Aktionen auch durch die Medien in die öffentliche Diskussion zu bringen und dadurch zum sichtbaren Faktor zu werden.“ (Grundlagenpapier AA/BO)
Begonnen hatte alles August 1991, als die Antifa-AG aus dem westdeutschen Infoladentreffen ausscherte, um ein sogenanntes „bundesweites Antifatreffen“ zu installieren. Dieses im Wesentlichen und am Anfang ausschließlich von westdeutschen Gruppen frequentierte Gremium kam bald zu dem Bedürfnis nach einer „überregionalen verbindlichen Organisation mit dem Ziel einer gemeinsamen politischen Praxis.“ (Grundlagenpapier AA/BO)
Auf dem Treffen vom 27-29.3.1992 in Mainz stellte dann die sogenannte „Arbeitsgruppe 3“ ein erstes Organisationsmodell, im Zusammenhang mit grundlegenden ideologischen Erläuterungen, vor. Dort wurde schon deutlich ausgesprochen, wohin die Reise gehen sollte. So erklärte man die Formel vom „antiimperialistischen Kampf“ zum Allerheiligsten, und machte die Bekundung zu dieser Formel zur Bedingung für die Aufnahme einer Gruppe in die Organisation. Des Weiteren sollten nur Gruppen aufgenommen werden, die einen vorgeschriebenen „intellektuellen Diskussionsstand“ hätten. In einem Papier der Antifa (M) aus Göttingen zur Autonomen Organisierung vom September 1991 wird die politische Vaterschaft des Gedankens klar benannt:
„Die Organisierung unter dem Vorzeichen Antifaschismus resultiert aus der Imperialismusanalyse, nämlich der, daß der Imperialismus faschistisch ist, und bezieht sich teilweise auf historische Organisationen wie die „Antifaschistische Aktion‘ von 1932.“ (Diskussionspapier zur Autonomen Organisierung)
Diese Antifa (M) aus Göttingen kann als ideologischer Vorreiter der AA-BO angesehen werden. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich weiter mit ihnen beschäftigt. In der Antifa (M) pflegt man liebevoll den fragwürdigen Kult des Sturm- und Schlägertrupps der stalinistischen KPD in den 20er und 30er Jahren, des Rot-Front-Kämpfer-Bundes. Man sieht sich in der Tradition dieser Organisation, sowie in der Tradition der kommunistischen „Antifaschistischen Aktion“ von 1932. Hinzu kommt ein geschöntes Bild von der „sozialistischen“ Sowjetunion und ein verklärtes Budjonny- Reiter-Idyll. Die AA-B0 im Geiste der KPD als schlagende politische Kraft und natürlich unter der Führung der Göttinger Antifa (M).
Dass ihnen die eigentliche antifaschistischen Ziele dabei relativ nebensächlich sind, äußerten sie ebenfalls in ihrem Organisationspapier:
„Für uns ist Antifaschismus immer noch der beste Hebel für die Vermitt-lung antiimperialistischer Politik, weshalb wir uns unter diesem Vorzeichen organisieren wollen.“ (Diskussionspapier zur Autonomen Organisierung)
Die fixe Idee von der kämpferischen Massenorganisation unter Führung der Antifa (M) drückt sich in verschiedenen aufmarsch-ähnlichen „Großkampfdemonstrationen“ aus, die sie in der Vergangenheit durchführten. Um diese reibungslos abwickeln zu können, schreckte man nicht von Absprachen mit Polizei und Staat zurück. Bei der Sylvesterdemo am 31.12.91 betrieben sie eine derartige „Deeskalationspolitik“ ,dass selbst der Göttinger Oberbürgermeister Kalimann voll der Lobes war. Die Demoleitung, sprich die Antifa (M), hatte vorher mit den Stadtherren einen Schriftverkehr begonnen. Ein Zitat aus der regionale Presse:
„Schierwater berichtete, daß er in einem bemerkenswerten Schriftwechsel mit Vertretern der sogenannten Autonomen Szene steht, in der Erwartung, daß die politischen Konflikte in dieser Stadt künftig mit mehr Vernunft und weniger Gewalt ausgetragen werden‘.“ Oder: „Anschließend bedankte sich der Oberbürgermeister bei der Leitung und den Teilnehmern der Sylvesterdemonstration – ebenso wie bei der Polizei – für den friedlichen Verlauf. Kalimann: „der Brief der Leitung hat mich tief bewegt. Ich hoffe das dies beispielhaft ist für die Zukunft.'“
Bei diesem Propagandaspiel der Antifa (M) waren die Demoteilnehmer nichts weiter als Schachfiguren.
Auf den Treffen der A A-BO entwik-kelten die Göttinger (M) ein cleveres, taktisches Spiel, das nur ein Ziel hatte: die Stärkung ihrer Position und die Durchsetzung ihrer politischen Ziele in der Organisation. Hier nur ein Beispiel:
Als die bereits erwähnte AG 3 (namentlich Antifa Göttingen (M), Mainz-Wiesbaden, Münster) ihr erstes Konzept vorstellte, gab es sofort Gegenwehr aus Berlin. Die anwesenden Vertreter, zwei davon aus dem Osten, stellten fest, daß dieses Papier an der Realität im Osten vorbeigehe. In einer Pause, nach einer mehrstündigen Diskussion ohne Ergebnis, trat ein Vertreter aus Göttingen an die Berliner heran. In 10 Minuten erläuterten diese noch einmal ihre Probleme. Danach geschah das völlig Unerwartete. Die Vertreter aus Göttingen schwenkten in allen Punkten auf die Positionen der Berliner um und argumentierten gegen ihr eigenes Konzept und gegen die anderen Gruppen der AG 3. Diese, völlig verblüfft, entzogen sich schnell der weiteren Diskussion. Innerhalb kürzester Zeit war das Papier vom Tisch und für das nächste Treffen umrissen, wie die Kriterien für ein verändertes Konzept auszusehen hätten. Beim nächsten Treffen vom 29. bis 31. Mai in Braunschweig lag das Papier der AG 3 jedoch wieder auf dem Tisch, und Göttingen tat so, als hätte es das letzte Treffen nie gegeben. Der anwesende Berliner, der kurzfristig eingesprungen war, wusste nichts vom vorhergehenden Ergebnis. So begann man also wieder bei Null.
In der Folgezeit bis zum Frühjahr 1993 machten sich die Diskussionen an
drei Dingen fest: Statut, Gründungskongress, Beitritts- und Statutenmodalitäten. Besonders an der Statutendiskussion wurden die ideologischen Gegensätze zwischen den Gruppen klar. Es erfolgte im Laufe der Zeit eine fast völlige Entideologisierung. Fast jeder konnte sich aus dem endgültigen Grundsatzpapier seinen Teil herausziehen. Nur bei ganz genauem Hinschauen sind politisch eindeutige Aussagen herauszulesen. Dazu lässt man sich weitschweifig über Technix aus:
„Der Name „Antifaschistische Aktion‘ wird mit dem Zusatz „Bundesweite Organisation‘ (kurz BO) geführt. Das Emblem ist an das historische von 1932 angelehnt, jedoch nicht zu verwechseln. Die von links nach rechts stürmenden Fahnen (rot/schwarz) sind dem Kreis entnommen; an sie legt sich ein großes kursives \A‘, von welchen „Antifaschistische‘ und ‚Aktion‘ gleichermaßen ausgehen -darunter der Zusatz „Bundesweite Organisation‘. Das historische Emblem auf Publikationen (zuzüglich des Organisationsemblems) zu verwenden, kann aus Gründen des Wiedererkennungswertes ratsam sein und ist dem lokalen/regionalen Gruppen überlassen.“ (Grundlagenpapier der AA-BO)
Findet man dann doch politische Aussagen, so merkt man schnell, daß die ideologischen Ansätze teilweise von alten konservativen KPD-Theorien getragen sind. So wird die alte KPD-Plattitüde „Hinter dem Faschismus steht das Kapital“ dahingehend eingearbeitet, dass es nun heißt:
„Der Kampf zielt auf die Entwicklung einer Gegenperspektive zum kapitalistischen System.“ (Grundlagenpapier AA-BO)
Dass bewiesenermaßen Faschismus nicht nur im Kapitalismus wurzelt sondern auch im real existierenden Sozialismus,
wird völlig ausgeklammert. Oder unter Ziele/Perspektiven heißt es:
„Die Entwicklung einheitlicher Standpunkte, wie Faschismus- und Imperialismus-Theorie, Patriarchat etc. als Gesellschaftsanalyse wird angestrebt.“ (Grundlagenpapier AA-BO)
Abgesehen von dem angestrebten Ziel, individuelles Denken und verschiedene Standpunkte abzuschaffen, wird auch hier nur vom Imperialismus im Zusammenhang mit Faschismus geredet. Stalinismus ist auch wieder kein Thema. Jedoch scheint es den AA-BO-Ideologen mit der radikalen gesellschaftlichen Umwälzung bei weitem nicht so dringend zu sein, wie behauptet. Heißt es doch ebenfalls im Grundlagenpapier unter Ziele/Perspektiven:
„Die Ziele der Organisation orientieren sich daran, was als realistisch angesehen wird.“
Also anarchistische und ähnliche Theorien haben in der AA-BO wenig Chancen. Hier hätten wahrscheinlich eher geübte Politiker des Realo-Flügels der Grünen eine Ausgangsbasis.
Nicht weniger haarig und entlarvend ist die Art und Weise, wie Mitgliedschaft und Mitsprache geregelt sind. Hier wird unterschieden zwischen Mitglied, Beobachter, Assoziiertes Mitglied. Auf dem Treffen vom21./22.2.1993 wurde eine endgültige Regelung dafür festgelegt. Neue Gruppen sollen nur durch Mitglieder in die AA-BO ‚eingeführt‘ werden. Sie erhalten dann den Status eines Beobachters.
„Nach der Teilnahme an mehreren Treffen sollten interessierte Gruppen darlegen, ob sie eine Mitgliedschaft in Erwägung ziehen, bzw. ihren Diskussions-stand vermitteln.“ (Protokoll AA-BO Treffen Mainz)
In Klartext heißt das, dass neue Gruppen eine Probezeit absolvieren, nach der sie eintreten müssen, wenn sie ihren „Diskussionsstand“ angepasst haben, sprich gleichgeschaltet sind. Andernfalls wäre, das ist natürlich nur meine persönliche Hypothese, eine weitere Teilnahme wahrscheinlich nicht mehr möglich. Was die „Parteidisziplin“ betrifft, wurde diese bereits beim Treffen vom 19./ 20.12.92 in Berlin geregelt:
“ … für Mitgliederlnnen sind die getroffenen Absprachen verbindlich, aber auch BeobachterInnen haben sich daran zu orientieren (deswegen ja auch eine thematische Einführung in die AA-BO durch die Stadt, die organisiert ist)“
(Protokoll AA-BO Treffen Berlin)
Und damit jeder gleich weiß, mit wem er es beim Treffen zu tun hat und sich nicht etwa jemand einschleicht, kahm man in Berlin ebenfalls zu einer Regelung:
„… ab nächstem Treffen versieht jede Stadt ihren Sitzplatz mit einem Kärtchen, damit die anderen auch wissen, mit wem sie es zu tun haben. Das Kärtchen enthält auch die Information, wie die entsprechende Stadt zur AA-BO steht.“
(Quelle wie oben)
In der Statuten- und Befugnisdiskussion schieden sich dann doch die Gemüter. Die Beobachter, die immerhin die Hälfte der ca. 15 AA-BO-Gruppen ausmachen, durften zwar nicht mitstimmen, trotzdem sollten sie sich an die Beschlüsse der Mitglieder halten. In Mainz forderten die Beobachter dann die Abschaffung der Mitglieder/Beobachter-Trennung. Die „Mitglieder“ beharrten jedoch auf dieser Regelung, was den Auszug und damit die Abspaltung der Hälfte der Gruppen zur Folge hatte. Doch dazu später.
Der dritte Schwerpunkt der Diskussion war der Gründungskongress der AA-BO. Für den 08.05.1993 sollte ein offizieller Gründungskongress abgehalten werden, nachdem die AA-BO beim Treffen in Wuppertal vom 25./26.7.92 ausgerufen worden war. Auf dem Treffen in Guben vom 23.-25.10.1992 stellten die Göttinger (M)-Antifas ein erstes Finanzkonzept vor. Dieses monumentale Spektakel passt in seiner Art genau in das bereits geschilderte Bild, zum Hang nach propagandistischen Groß-und Protzveranstaltungen. Die Leute der Antifa (M) Göttingen, die die Organisation übernahmen, veranschlagten zu diesem Zeitpunkt 13.000 DM:
„Das Geld wird für den Druck von Präsentationen sowie Pressemappen benötigt.“ (Protokoll der AG II vom 23.10.1992 in Guben)
Beim Treffen in Berlin im Dezember 1992 veranschlagte Göttingen dann schon sage und schreibe 35.000 DM. Sie erwarteten, daß: „die Städte bis Anfang März (…) jeweils DM 2.000“ abführen. Dabei warvon der Anmietung der Göttinger Stadthalle, und als das nicht ging, von einem Zirkuszelt die Rede. Man war bereit, Unsummen für Pomp zu verschleudern. Dies angesichts der Tatsache, dass viele Antifagruppen .speziell im Osten, sämtliche Aktivitäten aus der eigenen Tasche bezahlen müssen, und es am Nötigsten fehlt, um vernünftige Arbeit zu leisten.
Aber auch daran gibt es immerhin Kritik. Das sogenannte kulturelle Rahmenprogramm, das ein Großteil des Geldes verschlingen sollte, wurde in Frage gestellt. Man fragte sich, wozu das eigentlich gut sein sollte. Außerdem waren einige Gruppen der Auffassung, dass der Anspruch, den die AA-BO dort öffentlich zur Schau stellen würde, niemals realisiert werden könnte.
Jedoch wollten die Befürworter des Kongresskonzeptes, ganz besonders natürlich Göttingen und Bonn, davon nichts hören. Sie argumentierten typisch:
„es müsse nach zwei Jahren Organisationsdebatte der qualitative Sprung zur Organisation vollzogen werden, weil ansonsten das bis heute geleistete durch Zögern aufs Spiel gesetzt würde.“
Trotz der mehrheitlichen Position gegen dieses Kongresskonzept setzte sich Göttingen durch:
„Stand ist, daß Göttingen die Planung weiter so angeht, wie in ihrem Konzeptpapier vorgeschlagen.“
Außerdem sollte Göttingen eine Voranzeige an das Antifaschistische Infoblatt Berlin senden. An diesem Punkte brach der Konflikt heftiger denn je zwischen Berlin und Göttingen aus, der vorher auf den Treffen noch relativ sachlich ausgetragen wurde.
An diesem Konflikt sind sehr leicht die Fronten aufzuzeigen. Da ist auf der einen Seite die Göttinger Antifa (M) mit ihrer bereits erwähnten Politik und auf der anderen Seite das Antifaschistische Infoblatt Berlin (Die anderen Berliner und Göttinger Antifagruppen verhielten sich eher ablehnend gegenüber der AA-BO). Das Infoblatt setzte zwar auf Strukturierung, jedoch nicht unbedingt auf eine Organisierung. Sie wollen zunächst einen Prozess des Kennen-lernens mit Austausch von Informationen, durch den dann eine Vernetzung erfolgt und Verbindlichkeiten entstehen. Erst dann wäre es für sie an der Zeit, über eine Organisation nachzudenken. Mit Ausnahme der letzten Schlussfolgerung ist das eine interessante Idee. Ich persönlich würde es jedoch dann nur Vernetzung nennen. Für das Infoblatt ist die Antifa erst am Anfang dieses Weges. Sie distanzieren sich hart und klar von der Göttinger Parteipolitik:
„Für Menschen außerhalb einer „Szene‘, die Interesse an Antifa-Arbeit haben, sollte solch eine Organisierung ebenso attraktiv sein. (…) Eine bundesweite Organisierung von Antifagruppen muß möglich sein, ohne bestehende Organisationsformen zu übergehen oder zu funktionalisieren. (…) Die Unterstützung einer Basisarbeit, einer Bewegung von „unten‘, (…) halten wir für die wichtigste Aufgabe einer Organisierung. (…) Wir brauchen keine bürokratische Vereinsmeierei. (…) Ansätze von Profilierung und von Funktionalisierung (…) sollten von vornherein offen diskutiert und angegangen werden. (…) Die Frage nach einer eng ausgelegten formellen Mitgliedschaft halten wir für verfrüht. (…) Eine simple Vereinheitlichung von Positionen und Aktivitäten unter dem Dach einer Organisation halten wir für schädlich. (…) Die Organisation von Antifa-Gruppen kann nicht die Entwicklung revolutionärer Per-spektiven leisten.“(Stellungnahme zur Organisierung von Antifa-Gruppen)“.
In einem anderen Papier greifen sie Göttingen direkt an. Dort heißt es:
„Wir wollen keine autonome Organisation, die sich zur ‚Protagonistin‘ des antifaschistischen Kampfes machen will und darüber hinaus auch noch auf äußerst wackliger Basis steht.“
In der ursprünglichen dreiseitigen Fassung der Voranzeige zum Kongress, den die Göttinger Antifa (M) verfasste, hieß es, dass die AA-BO zur „Protagonistin“ (laut Synonym-Wörterbuch „Vorkämpferin“) der antifaschistischen Bewegung werden soll. An diesem Punkt wird eindeutig klar, dass die Ideologen der Antifa (M) von Anfang an und bis heute nichts weiter wollten, als eben Protagonistinnen der Bewegung zu sein, also eine elitäre Avantgarde. Diese Anzeige erschien niemals, dagegen wurde eine auf eine Seite zusammengekürzte Fassung veröffentlicht, die wiederum völlig entideologisiert wurde.
Jedoch fiel der Kongress aus. Denn auf dem Treffen vom 20./21.2. kam es endgültig zum Eklat. Erneut wehrten sich viele gegen den Kongress. Mit den gleichen Argumenten wie beim Vortreffen sollte der Aufwand eingeschränkt werden. Für die „light“-Version jedoch verweigerte Göttingen (M) seine Bereitschaft zur Organisierung und Vorfinanzierung. Der weitere Streit machte sich an dem Berliner Papier fest, welches oben auszugsweise zitiert wurde. Der endgültige Bruch vollzog sich dann an der bereits erwähnten Mitglieder-Beobachter-Position. Sie endete mit dem Auszug des Großteils der Beobachter. Der Kongress wurde von der AA-B-Rumpf-Organisation auf den September 1993 verschoben. In Folge dieser Abspaltung wurde von einigen Aussteigern ein neuer organisatorischer Ansatz initiiert. Ein erstes großes Treffen wurde für den Herbst angesetzt. Jedoch betont man ausdrücklich, daß man keine Konkurrenz zur AA-BO aufmachen wolle.
Beide Organisierungen/Organisationen entdeckten nun plötzlich den Osten. Wurde vorher nur mit mäßigen Erfolg Ost-Antifa-Gruppen zur AA-BO eingeladen:
„… es besteht bei vielen Ost-Städten ein Vorbehalt gegen solch eine Art Organisierung oder Organisation. (…) Dazu muss noch gesagt werden, dass auf Treffen der AA-BO bisher ausschließlich Ost-Gruppen mal vorbei geschaut haben, die sowieso schon viel weniger Vorbehalte gegen die „Wessis‘ haben als andere.“ (Protokoll AA-BO Treffen 19./ 20.12. in Berlin)
Während das Antifaschistische Infoblatt nach vorheriger Anfrage beim Ostvernetzungstreffen als Beobachter und Berichterstatter durch einen Mitarbeiter aus dem Osten vertreten sind, versuchte auch die AA-B-Rumpf-Organisation einen Fuß in das Osttreffen zu bekommen.
„Auf die nächsten Vernetzungstreffen im Osten soll, nach vorheriger Nachfrage ob das o.k. ist, jemand von der AA-BO fahren und dort Sachen von uns vermitteln – Übernimmt BS (Braunschweig d.Red)“ (Protokoll AA-BO Treffen Mainz 20/21.2.1993)
Das wurde auch versucht. Leider stieß die beim Ostvernetzungstreffen in Magdeburg vorstellig gewordene Frau wieder auf breites Desinteresse.
Abschließend ist zu sagen: Hier war und ist man im Begriff, nach bekannten Mustern von oben, per Dekret und Statut, das einzusetzen, was von unten organisch wachsen muss. Man äfft genau die unausgegorenen bolschewistischen Denkschemata nach, die die siebzigjährige totalitäre Unterdrückung (und dann eben auch Ermordung) von Millionen zur Folge hatten. Hier, wo Parteidisziplin und Einheitsbrei alleroberstes Gebot ist, wo Information monopolisiert werden soll, wo nur mitmachen darf, wer politisch auf Linie ist, wurde ein ideales Tummelfeld für Apparatschiks, K-Gruppler und solche, die es werde wollen, geschaffen. Es ist mir unbegreiflich, dass sich die Gruppen der AA-BO gewundert haben, warum so wenig Ostler Lust auf diese neue Avantgarde haben. Für diese wäre es nun endlich einmal an der Zeit, sich mit der DDR und der Rolle, die ihre Führungskraft SED in ihr gespielt hat, auseinanderzusetzen. Vielleicht entdecken sie sich und ihre AA-BO darin wieder.
Bewahre uns die Realität davor, dass diese Leute irgendwann an die Macht kommen. 70 Jahre Diktatur der stalinistischen Politbürokratie sind genug.
P.S. Auf diesen Artikel erwarten wir gefasst eine Flut von wütenden Leserbriefen. Wir bleiben nichtsdestoweniger bei dieser Darstellung. Leider hat uns das „Antifaschistische Infoblatt Berlin“ das Material über seinen „persönlichen“ Fax-Krieg mit Göttingen (M), der nach eigenen Aussagen „nicht mehr schön war“, nicht anvertrauen wollen.