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Da ist er wieder: Der „lange Schatten des Stalinismus“…

Mit dieser Erklärung reagieren wir auf die aktuelle Kampagne gegen das Thema und den Inhalt der jüngsten Veröffentlichung der Roten-Hilfe-Zeitung „Repression gegen linke Oppositionelle in der DDR“

Erklärung

Was ist geschehen? Nachdem die Zeitung der „Roten Hilfe“ e.V. im Jahre 2016 in einem Themenschwerpunkt „Siegerjustiz“ ehemalige Obristen des MfS die Tätigkeit der DDR-Sicherheitsorgane rechtfertigen und postum Erich Honecker das in der DDR herrschende politische System verteidigen ließ, gab es einen Sturm der Entrüstung vornehmlich aus Kreisen von Ortsgruppen der Roten Hilfe im Osten. Nein, die Entrüsteten waren keine Apologeten des zeitgenössischen Antikommunismus, sondern Menschen, die zum Teil am eigenen Leib die Repressionspraktiken der Sicherheitsapparate und der Justiz gegen die linke antistalinistische Opposition in der DDR erfahren hatten.

Erinnern wir uns: Zu Zeiten des Kalten Krieges, der Existenz zweier deutscher Staaten und der Systemauseinandersetzung war diese Opposition im Osten wie im Westen mehr als nur unbeliebt: Im Osten wurde sie unerbittlich verfolgt, sozial diskriminiert und „zersetzt“. Gleichzeitig bemühten sich die Herrschaftswächter, ihre Existenz zu leugnen, was vergeblich blieb, da sie immer wieder von neuem entstand. Im Westen passte deren Existenz nicht in die Schubladen des verordneten Antikommunismus, weshalb man von ihr nur Kenntnis nahm, wenn die westlichen Systemwächter glaubten, sie zum eigenen Vorteil im Kampf der Systeme instrumentalisieren zu können.

Endlich nach über zwei Jahren Zögern entschloss sich die Redaktion der Roten-Hilfe-Zeitung, nun in einem Themenschwerpunkt „Repression gegen linke Oppositionelle in der DDR“ dieses verdrängte Kapitel stalinistischer und poststalinistischer Verfolgung sozialistischer Strömungen, welche sich gegen den in der DDR herrschenden Politbürokratismus stellten, aufzublättern. Daraufhin eröffneten die „Enkel Stalins“ in der DKP und ihren Bündnispartnern eine rüde Kampagne gegen die überraschte Redaktion, die letztlich in dem Vorwurf gipfelte, diese Redaktion habe sich zum Komplizen des Klassenfeinds, Helfershelfer des Antikommunismus und Handlanger der Reaktion gemacht.

Wir erkennen hier die unveränderte Sprache der SED und ihrer Satelliten in Westdeutschland aus der Zeit des Kalten Krieges, mit der die Agitatoren der DDR-Ideologieapparate jene sozialistische Opposition gegen die Despotie der Parteibürokraten in der DDR als „antikommunistisch“ diffamierten.

Die in der DDR Herrschenden, welche die Perspektive eines Sozialismus der Freiheit und Demokratie so gründlich gegen die Wand fuhren, die eine emanzipatorische Assoziation für diese Perspektive mit aller Kraft zu verhindern wussten und ihre Anhänger mit Knast und Berufsverboten traktierten oder in den Westen abzudrängen trachteten – diese Despoten feiern in der Kampagne gegen die jüngste Veröffentlichung der RHZ ihre Wiedergeburt.

Die Kampagnenwortführer diskreditieren neuerlich die linke antistalinistische Opposition in der DDR und verweigern sich einer kritischen marxistischen Analyse des dortigen antiemanzipatorischen Herrschaftssystems. Der zeitgenössische Antikommunismus stellt seine Kritik an der DDR, dem MfS und der SED in den Dienst der Rechtfertigung heutiger Zustände im real existierenden Kapitalismus. Der Ekel vieler deutscher Linker vor dieser Instrumentalisierung durch die staatskonformen „Aufarbeitungsapparate“ begünstigt bei ihnen vielfach die retrospektive unkritische Glorifizierung der DDR. Auf genau diese kurzschlüssige Identifizierungstendenz setzen die neuen Philostalinisten. Und diese merken gar nicht, dass sie selbst sich damit zu Verstärkern des verordneten antikommunistischen Konsenses machen – ganz im Gegensatz zu ihrer Selbstwahrnehmung.

Wir distanzieren uns entschieden von der neostalinistischen Kampagne gegen die Kritik der politbürokratischen Systeme und ihrer Geschichte, der Diskreditierung der linken antistalinistischen Opposition und der so entstehenden Begünstigung des zeitgenössischen Antikommunismus.

Berlin, den 29. März 2019

Thomas Klein (Berlin, Gründungsmitglied der Initiative Vereinigte Linke)
Judith Braband (Berlin, Neustadt/Dosse, ehemals Initiative Vereinigte Linke)
Christoph Jünke (Bochum)
Redaktion der Zeitschrift „telegraph“ (Berlin)