Von Jürgen Schneider
„Mein Lieblingspreis wäre der Franz-Jung-Preis“, sagte Bert Papenfuß in einem Interview, das ich im Sommer 1991 anlässlich der Zuerkennung des F.-C.-Weiskopf-Preises an ihn mit ihm führte (s. Freitag von 7. Juni 1991, S. 20/21). Den Franz-Jung-Preis hat er nicht bekommen, denn es gibt keinen Preis, der nach dem Protagonisten der Literaturrevolte, Expressionisten, Dadatrommler, Revolutionär, Wirtschaftsanalytiker, Flüchtling, Deserteur, Börsenkorrespondenten, Meuterer, Agitator und Bearbeiter des Scheiterns benannt ist. In seinem Text motten zu unsicherheit & eitelkeit allen staates (arbeitsversion) aus den 90er Jahren schrieb Bert: »seitdem wir vor nun nahe zu 500 jahren / die eskalation von unserer seite zurückgenommen haben, fragen wir uns warum?« Die Frage konnte er zuletzt nicht mehr beantworten. Er, dem es an Worten nie fehlte, an nie gehörten und unerhörten, ist verstummt. Er starb am Samstag, 26. August 2023, in der Parkklinik Berlin-Weißensee.
Es mögen aus den Feuilletonstuben nun Nachrufe auf Bert kommen von jenen, die den Dichter zu Lebzeiten geflissentlich ignorierten, auch einen Bert-Papenfuß-Preis wird es nicht geben. Ihrem Frühstücksleser werden die Literarturkritiker der Leitmedien Papenfuß’sche Sätze wie den folgenden auf keinen Fall zumuten: »Die direkte Aktion ist eine Wohltat des Ausübenden, Kulturkampf hierbei Selbstverteidigung und Absicherung der Entspannung, die uns Deckung gibt und bei der Stange hält, an der keine abgedroschene Fahne weht, sondern das Banner des Chaos, das wir verkörpern.«
Aus dem Text motten zu unsicherheit & eitelkeit allen staates (arbeitsversion) sei der erste Teil zitiert, überschrieben: »prolog auf dem schirm«
»der schnaps ist kurz,
doch das bier ist lang«
genossen, unterdruß im unterschlupf?
kameraden, verrat ist unaufhaltbar; kollegen,
lassen wir uns nicht lumpen: alles wird teurer,
wir aber, im einklang mit unserer zielgruppe,
senken unsere preise: das kapital ist machbar,
herr nachbar, »big bank take little bank«:
bekannt durch fresse, buschfunk, rundflunk &
teleflax: sarg discount christburger bietet an:
selbstbestattungen aller arten, erledigung
aller formalitäten, sämtliche pietätsartikel.
drucksachen, blumendekoration, heraldische
elemente, überurnen, memoiren, literarischer
nachlaß, copyright-probleme, auf wunsch
hausbesuche: sargmodelle für feuerbestattung
ab 1.398,00 dm, massiv windflüchtereiche:
supersparmodell für erdbestattung, typ
»holger meins« ab 123.456,78 dm, massiv
kiefer, bleiummantelt: seebestattung in
piratenkostümierung (zuzüglich feuer-
bestattung & salutschießen) ab 2.634,55 dm:
in den institutskosten enthalten: sarg,
deckel, kissen, hemd, gaspistole, fährgeld,
1 expl. »grundriß der verkleinerung des
geldes«, lange marschverpflegung, telefon-
geld, sixpack, kondom-set, tätowierung &/oder
einbalsamierung der/des verblichenen, des-
infektion, strafkuß, open-air-konzert
der »hangdogs on the anvil« (bei schönem
wetter draußen):
»unten im bunker
pulsiert das leben
unten im bunker
wirst du alles geben«
in den institutskosten nicht enthalten,
aber auf wunsch, & stark preisgemindert,
arrangierbar: eine grabansprache, die den
beißenden hohn des unverbesserlich ungefügigen
unvolx akzentuiert, weiterhin arrangierbar;
zurücknahme der taufe durch ein ritual am
weihbecken auf dem lustgarten, anschließend
eine paradepromenade in einem trabananabant
cabriolet: erforderlich sind: personalausweis,
geburtsurkunde, führerschein, heiratsurkunde,
scheidungsurteil, steckbrief, krankenschein-
heft, geldkarte, weiterhin sterbeversicherungs-
police, grabkarte & ggf. grußadressenliste:
fremdkosten nicht enthalten: extrawürste:
»der, der schlaucht
auch feuer braucht«
alles jubelt außer rand und band
das sterben hat sich selbst zum gegenstand
& ist somit unseres unterfangens unterpfand (…)