Von Jürgen Schneider
Opus Dei, erschienen 1987, war das dritte Studio-Album von Laibach, jener slowenischen Band, die mal als faschistisch, mal als stalinistisch bezeichnet wird. Für die in ihrer Ideologiezelle eingesperrten Anhänger der einer Weltkenntniserweiterung hinderlichen Totalitarismustheorie ist Laibach gleich beides.
Der Titel gemahnt zunächst an die österreichische Band Opus und deren Skihütten-Hit ›Live is Life‹, den Laibach coverte. Die englische Laibach-Version heißt ›Opus Dei‹, in der deutschen Version wird aus dem ›live‹ das Leben: ›Leben heißt Leben‹. Die zweite Referenz ist die katholische Organisation Opus Dei (Das Werk Gottes). Das Opus Dei (lat. Praelatura Sanctae Crucis et Operis Dei) wurde 1928 von dem erzreaktionären Pater Escrivà de Balaguer gegründet. Laut Le Monde diplomatique ist Opus Dei, vom Vatikan zu einer »Personalprälatur« erhoben, »eine religiöse Kampftruppe mit starkem Hang zum Sektierertum und zum militanten Antikommunismus und gleichzeitig eine ökonomische und politische Kraft«2, vor allem in Spanien. Doch nicht nur den Opus-Hit coverte Laibach, sondern auch ›One Vision‹ von Queen, veröffentlicht als Single 1985 und 1986 auf der LP A Kind of Magic. Aus ›One Vision‹ wurde ›Geburt einer Nation‹. Der Philosoph Luca Di Blasi urteilte, durch Laibachs Cover-Version hätte ›One Vision‹ »rückwirkend einen neuen, faschistoiden Sinn« bekommen. »Dieser wurde dem Song, wohlgemerkt, nicht einfach nur übergestreift; vielmehr erweckt der Laibach-Song die Frage, inwieweit ein solcher zur Kenntlichkeit entstellt wurde. Wer Laibachs ›Geburt einer Nation‹ gehört hat, kann Queens Original schwerlich noch so hören wie zuvor.«
Die LP Opus Dei verhalf Laibach zum internationalen Durchbruch und zur ersten Welttournee. Das Werk fand zudem Aufnahme in das von Robert Dimery edierte Buch 1001 Albums You Must Hear Before You Die. In der in Maribor erscheinenden Zeitung Večer hieß es: »Laibach beackert erfolgreich die Lücke zwischen banaler Partymusik und elitärer Kreativität.« Der Laibach-Historiker Alexei Monroe schreibt, der »widersprüchliche, unwahrscheinliche Ausgangspunkt zur Beschäftigung mit dem Phänomen Laibach« sei Opus Dei gewesen: »We became Slav(e)s to the New Original Rythm.3
Im Frühjahr 2024 hat Laibach eine erweiterte Version von Opus Dei vorgelegt, als LP oder Doppel-CD mit alternativen und Live-Versionen (& wie schon 1987 heißt das Label Mute). Und wieder sind die Slowenen auf Tournee. Am Sonntag, 20. Oktober 2024, war ihr Auftrittsort die Christuskirche in Bochum. »Das Werk Gottes« in einem Gotteshaus – ein überaus passender Ort.
Ein kritischer Kritiker verstieg sich 2018 zu der Aussage: »Musikalisch sind die Zugeständnisse an eine gefälligere Rock- und Popmusik seit geraumer Zeit offensichtlich.«4 Was hat der Mann gehört? In Bochum jedenfalls war sechs Jahre später von den behaupteten Zugeständnissen nichts zu hören, reichte die Palette von der subversiven Ballade bis zum Laibach-eigenen systemischen »Lärm«, dem Industrial-Sound, den die Laibach-Musiker seit ihrer Gründung pflegen. Was bitte soll an einem agitatorischen Track wie ›Transnational‹ gefällig sein? Bei diesem deklamiert Laibach-Frontmann Milan Fras wiederholt die Worte: »Charity / Hope / Faith / Fortitude / Prudence / Justice / Temperance / Wisdom / Strength / Beauty«.
Auffällig war: Der Sound und die Projektion von aufwendig und exzellent bearbeiteten Ausschnitten aus zumeist historischem Filmmaterial bildeten eine Einheit. Hat Laibach in Sachen Simultaneität von Kraftwerk gelernt?
Weitere Tourdates: https://www.laibach.org/future-events/
1 Siehe: Kunst-Maschine Laibach. Essays on the Gesamtkunstwerk. Hrsg. von Uwe Schütte, Johann Langhofer und Daniela Kirschstein. – Klagenfurt: Drava, 2023. Dieses Werk ist eine Neuauflage des Buches Gesamtkunstwerk Laibach. Klang, Bild und Politik. (Drava, 2018)
2 François Normand, Das Opus Dei auf dem Vormarsch, in: Le Monde diplomatique, 15.09.1995
3 Alexei Monroe, Popdemonium. Dämonen des Volkes, in: Booklet zur Neuauflage von Opus Dei (unpaginiert). Auf der Rückseite des Booklets sowie auf der CD mit den Live-Aufnahmen ist John Heartfields aus Beilen geformtes Hakenkreuz abgebildet. Auf Heartfield bezieht sich Laibach immer wieder.
4 Siehe Kunst-Maschine Laibach, S. 138