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Die Rumbalotte continua hat aus dem Hafen Metzer Str. 9 abgelegt

Ein Nachruf von Dietmar Wolf

Rumbalotte continua

Rumbalotte continua

Dass der Mythos des Prenzlauer Bergs eben genau nur noch ein Mythos ist, sollte mittlerweile auch dem letzten Menschen mit klarem Verstand aufgefallen sein. Was hier seit den späten 1990er Jahren stattgefunden hat, ist ein Musterbeispiel von Gentrifizierung und lässt alle Forscher und Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema befassen, mit der Zunge schnalzen. In weniger als 20 Jahren mutierte dieser aufregende, wilde, kreative und rebellisch-linke Schmuddel-Stadtbezirk mit Arbeiterklassen-Geschichte zu einem gnadenlos glatt gebügelten, inhaltsleeren, langweiligen und hirntoten Bezirk mit Immobilien-Investoren aus der ganzen der Republik.

Die Zerstörung des wunderbaren sozialen und menschlichen Schmelztiegels Prenzlauer Berg, ging einher mit einer systematischen Zerstörung und Verdrängung jeglicher Kultur und Kreativität. Und das ist um so irrer, wenn einem klar wird, dass eben genau das überhaupt die Grundlage für die Schaffung des Mythos Prenzlauer Berg war. Die Menschen, die sich den Kiez Stück für Stück unter den Nagel gerissen haben, propagieren dabei einen Mythos, den sie selbst systematisch entkernt haben.

Und so ist heute der Prenzlauer Berg nur noch ein Potemkinsches Dorf. Und die meisten Menschen die darin leben sind seelenlose Gestalten des Reichtums. Hier geben sich die Mütter vom Kollwitzplatz und die Immobilien-Spekulanten die Klinken in die Hand. Hier leisten sich die Schönen und Reichen dieser abgeschmackt-dekadenten Welt ihre 20ste Nebenwohnung in einem „In-Kiez“ in einer „In-City“. Da kann man gar nicht so viel fressen wie man kotzen mag.

Nach dem in den letzten Jahren unzählige Clubs, Kneipen, kleine Läden und selbst Theater dem Druck und der Logik des Geldes geopfert wurden, musste jetzt eines der letzten Refugien des ursprünglichen, linken, und kreativen Geistes des Prenzlauer Bergs aufgeben.

Am 19. September war Schluss. Nach einer letzten und immer sehr gut besuchten Veranstaltungswoche schloss die Rumbalotte continua ihre Tür endgültig. Fünf Jahre war die „Kulturspelunke“ Hort für alternative Kunst, Kultur, Literatur und Musik. Ganz in der Tradition der 1980er Prenzlauer Berg – Boheme. Widerständig, unangepasst, links, anarchistisch. Flaschenbier und Tabakqualm. Das alles stets etwas rustikal und charmant-ruppig dargeboten. Und natürlich stets Yuppie- und Touristen unfreundlich. Das versteht sich von selbst.

Doch das war, fünf Jahre konsequent durchgehalten, letztendlich wohl aber auch das größte Problem. Eine Kneipe in einer Gegend wie dem Kollwitz-Wasserturm-Saarbrücker-Kiez zu betreiben, in dem eine gnadenlose Gentrifizierung und damit auch ein massiver Zuzug von Menschen stattgefunden hat, denen man mehrheitlich die Pest an den Hals wünscht, ist ausgesprochen schwer. Die eingeschworene Stammkundschaft reicht da kaum aus. Oder die Kneipe besitzt eine große kiezübergreifende, wenn nicht sogar berlinweite Gemeinschaft, die einen in allen Bereichen unterstützt und überallhin folgt.

Bestes Beispiel ist hier das BAIZ, das viele Jahre in der Touristenhölle Torstraße unabhängig und ohne Touristen existieren konnte. Als sie vom Hauseigentümer vor die Tür gesetzt wurden, zog das Kollektiv an den Rand des Yuppie-Kollwitz-Kiez und nahm die Community einfach mit. Damit nicht genug. Innerhalb von Tagen wurden durch die Community die Mittel zum Kauf und zur endgültigen Sicherung der Räume aufgebracht und als langfristiger zinsloser Kredit, ohne Banken und Häuserspekulanten, eingesetzt. Gekröhnt mit einer demonstrativen Umzugskette, an der sich 100te von Menschen beteiligten, denen das BAIZ als einer der letzten unabhängigen und linken Treffpunkte im nach Geld stinkenden und yuppieverseuchten Prenzlauer Berg sehr wichtig ist. All das hatte die Rumbalotte leider nicht.

Sie versuchte es mit anarchistischer Originalität und kreativer Unangepasstheit. Mit vielen Veranstaltungen und gelegentlichen Konzerten und Parties. Das kostet viel Aufwand, Elan und Kraft. Und immerhin hat das die Kneipe fünf Jahre am Leben erhalten. Doch offensichtlich hat das nicht gereicht. Die Kraft und der Wille, den Liegeplatz in der Metzer Straße 9 aufrecht zu erhalten, scheint nun erschöpft zu sein. „… Wir haben die Schnauze voll …“ erklärt Bert Papenfuß der Berliner Zeitung in ihrer Ausgabe am 19.09.2015 und das er es sich erst gar nicht vorstellen mag, „… dass die neuen Nachbarn, also die Besitzer der teuren neuen Eigentumswohnungen von gegenüber an seinem Tresen sitzen, oder auch jene aus dem riesigen neuen Wohnkomplex um die Ecke – das ist nicht seine Kundschaft. Und soll es auch nicht werden. …“

 Und so ist also Die Rumbalotte für immer aus dem Hafen ausgelaufen. Und die Kapitäne Mareile und Bert verabschieden sich auf ihrer Website, melancholisch-literarisch, von ihrer treuen AnhängerInnenschaft:

„… Am 19. September legt die Rumbalotte continua aus dem Hafen Metzer Str. 9 ab. Fortan schippert das Geisterschiff Rumbalotte (Prenzlauer Berg Connection e. V.) durch die Gewässer des polierten Prenzlauer Berges, um hier und da das eine und andere Kulturbeben anzuzetteln.

Die Kapitäne Mareile und Bert geben die Führung gerne ab und werden endlich getreu ihrer anarchistischen Ideen bei der Mannschaft anheuern ohne Chefs und Positionen. Ab jetzt macht hier jeder was er will und kann, sagt was auf der seesalzigen Zunge brennt, liest aus der Schnapsflaschenpost, spinnt das Seemannsgarn weiter und singt und trinkt gegen das laue Lüftchen an, das hier zu einer unerträglichen Wettererscheinung geworden ist. …“

Doch ganz Schluss ist dann doch nicht. Zum Einen wird es in den Räumen der Rumbalotte ab Mitte Oktober eine Jazz-Kneipe geben. Und das ist sogar ein cleveres Model, das ohne Berührungsphobien zum Klientel der Wohngegend aufgezogen (bzw. genau darauf abgestimmt), sogar eine gewisse Chance auf Erfolg haben könnte.

Zum Anderen will die Besatzung der Rumbalotte als Mannschaft weiter machen. Als Verein ist man auf der Suche nach begegneten Räumen, „Für aufrührerische Tätigkeiten“. Etwa 60 Quadratmeter sollen es sein. Allerdings gestaltet sich dies sehr schwer. Denn die Eigentümer entsprechender Flächen im Prenzlauer Berg bieten diese nur sündhaft überteuert an. Dem muss Rechnung getragen. Und so ist auch ein Auslaufen aus den heimischen Gewässern des Prenzlauer Bergs nicht völlig ausgeschlossen.

Quellen:
Berliner Zeitung, vom 19.09.2015 http://www.berliner-zeitung.de/berlin/raucherlokal-im-prenzlauer-berg-will-keine-reichen-gaeste–schnauze-voll—-kulturspelunke-rumbalotte-macht-dicht,10809148,31845998.html

Rumbalotte continua: http://www.rumbalotte-continua.de/