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75. Jahre Befreiung

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Befreiung. Foto: (c) dpa – Bildarchiv, Rechtevermerk: picture-alliance / dpa

Am 8. Mai 1945, vor 75 Jahren, beendete der Sieg der Anti-Hitler-Koalition den Zweiten Weltkrieg in Europa. In Europa feierten die Soldaten der alliierten Streitkräfte, ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge, die wenigen Überlebenden der Shoah, AntifaschistInnen und WiderstandskämpferInnen die Befreiung vom Nationalsozialismus.

Die Aggression der Deutschen und ihrer Verbündeten hatte Millionen Menschen das Leben gekostet. Dabei hatte die Bevölkerung der Sowjetunion über 27 Millionen Tote zu beklagen: In den von deutschen Soldaten besetzten Gebieten, an der Front und im Hinterland, über 3 Millionen der 5 Millionen Sowjetsoldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft ließen die Deutschen verhungern, erfrieren, wurden ermordet, starben an Krankheiten. Insgesamt kostete der Zweite Weltkrieg 50 Millionen Menschen das Leben. Dem Nationalsozialistischen Rassenwahn fielen von 1933 bis 1945 6 Millionen Juden, geschätzte 220.000 bis 500.000 Sinti und Roma, 80.000 jüdische kriegsgefangene Soldaten der Roten Armee und 200.000 Menschen, die von den Nazis für „lebensunwert“ gehalten wurden, zum Opfer. Hinzu kamen politische GegnerInnen und Deserteure.

Eine der Hauptlasten des Krieges trugen die Völker der Sowjetunion. Ohne den opfervollen Kampf der Roten Armee hätte der Krieg deutlich länger gedauert. Eine bedingungslose Kapitulation am 8. Mai 1945 hätte es sicher nicht gegeben. Es geht darum, den 8. Mai als das zu begehen, was er ist: Der Tag der Befreiung vieler Millionen Menschen vom mörderischen Joch des Nationalsozialismus und der Tag des Sieges der Anti-Hitler-Koalition über den deutschen Faschismus. Für uns als Berlinerinnen und Berliner gilt der Dank im ganz besonderen Maße der Roten Armee und den beteiligten Soldaten der 1. und 2. Polnischen Armee. Sie waren es, die Berlin befreiten. Und das wollen wir würdigen, ohne dabei die anderen Alliierten zu vergessen.

Umso unerträglicher ist es, das von konservativen und bürgerlichen Kreisen vehement versucht wird, diese historische Leistung der Roten Armee und der Menschen der Sowjetunion zu negieren, klein zu reden oder zu relativieren. In den letzten Monaten wurden wieder und wieder Tagespolitik, alte Feindbilder und neuer Kalter Krieg mit dem Gedenken an die Opfer und die Befreier vermischt.

In letzter Zeit häufen sich die verschiedensten Umdeutungen, Fälschungen und Verharmlosungen der Geschichte. Der SPIEGEL und die US-Botschaft in Dänemark verkündeten, dass vor 75 Jahren amerikanische Soldaten Auschwitz-Birkenau befreiten, die polnische rechte Regierung hatte zwar Deutschland als ehemaligen Betreiber des KZs Auschwitz zu dessen Befreiungs-Gedenkfeier, nicht aber Russland für die sowjetischen Befreier des Vernichtungslagers eingeladen.“ In der deutschen Tagesschau berichtete eine deutsche Korrespondentin darüber, wie „beeindruckend“, wie „klar“, wie „würdig“, wie „überzeugend“ der Vertreter Deutschlands auf dem Auschwitz-Gedenktag in Israel aufgetreten sei und mokierte sich, wie „unwürdig“ dagegen Israel und Russland diesen Gedenktag begingen, wie sie ihn „kaperten“, wie sie ihre eigene „politische und erinnerungspolitische Privatparty“ feierten. Die geschichtsrevisionistischen Neudeutungstendenzen in Polen gipfeln sogar in strafbewehrten Deutungsverboten.

Der Historiker Götz Aly schrieb schon vor Jahren treffend in der Berliner Zeitung:

„Solange sich Geschichtslügen gegen Russland richten, gelten sie als Kavaliersdelikte, die kumpelhaft übergangen werden. Weil das so ist und sich deutsche Politiker derart roh verhalten, erinnern wir uns (…) an die Verdienste der Roten Armee. Sowjetische Truppen befreiten die KZs Majdanek, Auschwitz, Stutthof, Groß-Rosen und die Anstalt Meseritz-Obrawalde. Hier waren 10.000 deutsche Geisteskranke ermordet worden; ein Krematorium wurde gerade gebaut, 5.000 Urnen standen bereit. Unter großen Opfern erreichte die Rote Armee Berlin. Dort, auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee, hielten sich Juden versteckt, unter ihnen Rabbiner Martin Riesenburger. Er berichtete: `Man schrieb Montag, den 23. April 1945. Als es 15 Uhr war, durchschritt das Tor unseres Friedhofs der erste sowjetische Soldat! Aufrecht und gerade war sein Gang. Ich hatte das Gefühl, dass er mit jedem Schritt bei seinem Kommen zu uns ein Stück des verruchten Hakenkreuzes zertrat. Wir umarmten diesen Boten der Freiheit, wir küssten ihn – und wir weinten!`“

Seit Ende der 1990er Jahre beobachten wir den Aufstieg der Neuen Rechte in ganz Europa. „Rechtspopulistische“, erzreaktionäre und neofaschistische Kräfte interpretieren dabei die soziale Frage für ihre Zwecke um, auf die Krisenerscheinungen antworten sie jedoch nicht mit der Forderung nach grundlegender Veränderung des neoliberalen Wirtschaftsmodells der EU. Stattdessen stellen sie der Globalisierung und nationalen „Entmündigung“ durch Brüssel die Rückbesinnung auf die nationale Identität und einen ethnisierenden Nationalismus entgegen. Ihre Themen sind Zuwanderung, Abschottung, Renationalisierung.

Die rechten Rattenfänger machen sich zur Stimme von immer größeren Gruppen derer, die Angst davor haben, bald zu den Verlierern der Globalisierung zu gehören. Dazu zählen Teile der zunehmend sozial und wirtschaftlich unter Druck geratenen Mittelschicht, die in Konkurrenz um Einkommen und staatliche Transferleistungen nicht bereit sind mit Ärmeren zu teilen, aber auch diejenigen Teile der Arbeiterschaft, die Rassismus und ethnischen Nationalismus als Schutzfunktion gegen die wachsende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt begreifen.

Aus der AfD sind Versuche des Kleinredens zu hören. Am deutlichsten sichtbar wurde das an der Bemerkung: „… Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte“.

Diese Angriffe müssen zurückgewiesen werden! Der 8. Mai muss Feiertag werden!

Ausgerechnet im diesjährigen Jubiläumsjahr muss unsere geplante Befreiungsfeier, mit Podiumsdiskussion, Musik und Ständen, ausfallen. Wir haben deshalb Autorinnen und Autoren gebeten, Texte zum „Tag der Befreiung“ zu schreiben. Sie werden ab heute auf unserer Internetseite telegraph.cc veröffentlicht.

¡No Pasarán! Но пасаран! Ils ne passeront pas! They shall not pass!

Eure telegraph-Redaktion

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